Kassel. Mit
einem kräftigen Sog fließt die Fulda in das Gebäude
hinein und sprudelt hinten als Ausstoß lautstark wieder
heraus. 25 Kubikmeter Wasser passieren hier in einer Sekunde
drei Turbinen. Zwischendrin hat die geballte Kraft des Wassers
eine Menge Strom produziert.
Sie klappert nicht und mahlt auch kein Mehl. Diese Mühle mit
der traditionsreichen Geschichte ist ein hocheffizientes Kraftwerk
und produziert Ökostrom in Reinkultur. Und das bereits seit
fast 50 Jahren. "Wasserkraft hat den höchsten Wirkungsgrad",
erklärt Elektromeister Volker Stippich. Er arbeitet seit 30
Jahren in der Vogtschen Mühle an der Hafenbrücke und achtet
darauf, dass sich hier alle Räder - sprich Turbinen - fleißig
drehen. Er sagt: "Man muss immer in Bereitschaft sein." Der
Fluss ist unberechenbar.
Was
viele Menschen nicht wissen: Die an der Weserstraße, im
Herzen Kassels, gelegene Vogtsche Mühle ist das größte
Wasserkraftwerk in Kassel und Umgebung. Der Strom wird zu 90 Prozent
in das Stadtnetz eingespeist. Bei einer durchschnittlichen Jahresproduktion
von drei Millionen Kilowattstunden können damit 660 Haushalte
mit Strom versorgt werden. Das ist ein Drittel mehr, als es die Neue
Mühle, wo die Städtischen Werke ein Wasserkraftwerk betreiben,
vermag. "Wir sehen das sportlich", sagt Werke-Sprecher
Ingo Pijanka. Schließlich rühmt sich Kassel ja seit Neuestem,
die erste Großstadt zu sein, die auf grünen Strom
umgestellt hat. Da kann man auf den vor Ort produzierten regenerativen
Strom
durchaus stolz sein. Sollte man meinen.
Aber
Betreiberin Annette Lange-Spohr, die die Vogtsche Mühle
1965 als 21-Jährige von ihrem Vater geerbt hat, ist es bis heute
nicht leicht gemacht worden, sich als kleine Betreiberin inmitten
der großen Energie-Versorgungsunternehmen zu behaupten.
Oft erinnert ihr Existenzkampf an die biblische Geschichte
von David
und Goliath.
Nach
dem Tod des Vaters wurde Annette als Betreiberin der Mühle
regelrecht ins kalte Wasser geschmissen. Ein schwerer Maschinenschaden
im ersten Jahr, für den zudem die Versicherung nicht aufkommen
wollte, versetzte ihr einen Schlag. Sie entschied sich, für
die Mühle zu kämpfen. "Anfangs musste ich jedes Jahr
einen neuen Vertrag mit den Städtischen Werken schließen,
dass sie mir meinen Strom abnehmen. Das war mühsam." Annette
Lange-Spohr investierte in ihre Wasserkraft und investierte. Die
beiden Francis-Turbinen aus dem Jahr 1911 wurden mit neuen Generatoren
ausgestattet, die Nebengebäude der Mühle vermietet.
Mit
dem Einspeisegesetz für erneuerbare Energien im Jahr 2000
kam für die Vogtsche Mühle endlich Planungssicherheit.
Wenngleich für den unterschiedlich gewonnenen Strom stark abweichende
Vergütungen gelten. So gibt es für eine kWh Solarstrom
45 Cent, während es für eine mit Wasserkraft erzeugte kWh
nur sieben Cent gibt. Sicher ist nur: Die Fulda fließt.
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