"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 5.11.2007


Aus geballter Fulda-Kraft wird Ökostrom

Die Vogtsche Mühle existiert seit Jahrhunderten - heute ist sie
das größtes Wasserkraftwerk in Kassel und Umgebung

Von Christina Hein

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Mit einem kräftigen Sog fließt die Fulda in das Gebäude hinein und sprudelt hinten als Ausstoß lautstark wieder heraus. 25 Kubikmeter Wasser passieren hier in einer Sekunde drei Turbinen. Zwischendrin hat die geballte Kraft des Wassers eine Menge Strom produziert.


Sie klappert nicht und mahlt auch kein Mehl. Diese Mühle mit der traditionsreichen Geschichte ist ein hocheffizientes Kraftwerk und produziert Ökostrom in Reinkultur. Und das bereits seit fast 50 Jahren. "Wasserkraft hat den höchsten Wirkungsgrad", erklärt Elektromeister Volker Stippich. Er arbeitet seit 30 Jahren in der Vogtschen Mühle an der Hafenbrücke und achtet darauf, dass sich hier alle Räder - sprich Turbinen - fleißig drehen. Er sagt: "Man muss immer in Bereitschaft sein." Der Fluss ist unberechenbar.

Was viele Menschen nicht wissen: Die an der Weserstraße, im Herzen Kassels, gelegene Vogtsche Mühle ist das größte Wasserkraftwerk in Kassel und Umgebung. Der Strom wird zu 90 Prozent in das Stadtnetz eingespeist. Bei einer durchschnittlichen Jahresproduktion von drei Millionen Kilowattstunden können damit 660 Haushalte mit Strom versorgt werden. Das ist ein Drittel mehr, als es die Neue Mühle, wo die Städtischen Werke ein Wasserkraftwerk betreiben, vermag. "Wir sehen das sportlich", sagt Werke-Sprecher Ingo Pijanka. Schließlich rühmt sich Kassel ja seit Neuestem, die erste Großstadt zu sein, die auf grünen Strom umgestellt hat. Da kann man auf den vor Ort produzierten regenerativen Strom durchaus stolz sein. Sollte man meinen.

Aber Betreiberin Annette Lange-Spohr, die die Vogtsche Mühle 1965 als 21-Jährige von ihrem Vater geerbt hat, ist es bis heute nicht leicht gemacht worden, sich als kleine Betreiberin inmitten der großen Energie-Versorgungsunternehmen zu behaupten. Oft erinnert ihr Existenzkampf an die biblische Geschichte von David und Goliath.

Nach dem Tod des Vaters wurde Annette als Betreiberin der Mühle regelrecht ins kalte Wasser geschmissen. Ein schwerer Maschinenschaden im ersten Jahr, für den zudem die Versicherung nicht aufkommen wollte, versetzte ihr einen Schlag. Sie entschied sich, für die Mühle zu kämpfen. "Anfangs musste ich jedes Jahr einen neuen Vertrag mit den Städtischen Werken schließen, dass sie mir meinen Strom abnehmen. Das war mühsam." Annette Lange-Spohr investierte in ihre Wasserkraft und investierte. Die beiden Francis-Turbinen aus dem Jahr 1911 wurden mit neuen Generatoren ausgestattet, die Nebengebäude der Mühle vermietet.

Mit dem Einspeisegesetz für erneuerbare Energien im Jahr 2000 kam für die Vogtsche Mühle endlich Planungssicherheit. Wenngleich für den unterschiedlich gewonnenen Strom stark abweichende Vergütungen gelten. So gibt es für eine kWh Solarstrom 45 Cent, während es für eine mit Wasserkraft erzeugte kWh nur sieben Cent gibt. Sicher ist nur: Die Fulda fließt.