Kassel. Würden Stadtreiniger und Kasseler Entwässerungsbetrieb
(KEB) Teil des städtischen KVV-Konzerns, ließen sich womöglich
auf einen Schlag 20 Millionen Euro sparen. Diese Zahl geht aus
einem Gutachten hervor, das die Anwaltskanzlei Luther-Menold 2004
im Auftrag
der Stadt Kassel erstellt hat und der HNA vorliegt.
Das Geld
würde in den städtischen Haushalt fließen.
Hinzu käme ein weiterer Betrag von einer Million Euro jährlich.
Angesichts steigender Müllgebühren ab 2010 hatte Dr. Norbert
Wett, Chef der CDU-Fraktion im Rathaus, erneut die Debatte angestoßen,
Stadtreiniger und KEB unter das Dach der Kasseler Verkehrs- und Versorgungs
GmbH (KVV) zu stellen. Als das Gutachten 2004 vorgelegt worden war,
hatte sich die Stadt gegen eine Fusion von KVV, KEB und Stadtreinigern
ausgesprochen. Wett hingegen sieht die Bildung des Stadtkonzerns
als einen Baustein, um steigende Müllgebühren zu
vermeiden.
Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (SPD) lehnt den Stadtkonzern
aus steuerrechtlichen Gründen ab. Sollten KEB und Stadtreiniger
Teil der KVV werden, würden jedes Jahr Umsatzsteuern von mindestens
drei Millionen Euro fällig, sagt er. Einspareffekte durch mögliche
Zusammenlegungen würden dadurch wegfallen.
Allerdings
favorisiert das Gutachten das so genannte Managementvertragsmodell,
wonach keine Umsatzsteuerpflicht entstehen würde. Der Grund:
Nur das Management von Stadtreinigern und KEB würden Teil der
KVV. Die Arbeitnehmer blieben Angestellte der Stadt. So müssten
für die Personalkosten keine Umsatzsteuern gezahlt
werden.
Befürworter eines Stadtkonzerns ist seit jeher KVV-Vorstandschef
Andreas Helbig, dessen Macht wachsen würde. Auf Anfrage äußerte
er sich nicht: Zu dem Thema habe er 2004 alles gesagt.
Die Spitzen von KEB, Stadtreinigern und Arbeitnehmervertretern
lehnten die
Zusammenlegung seinerzeit ab.
Politiker fürchten um Einfluss
Als
schlampig hatte der SPD-Stadtverordnete Harry Völler
das Gutachten bezeichnet, das 2004 die Bildung eines Stadtkonzerns
untersuchte. Die Gutachterin habe einseitig und unseriös
gearbeitet.
Die Juristin
sah mehr Chancen als Risiken durch einen Zusammenschluss von
Kasseler Verkehrs- und Versorgungs
GmbH (KVV) mit Entwässerungsbetrieb
(KEB) und Stadtreinigern. Vorteile gebe es unter anderem bei der
Fusion von Verwaltungseinheiten wie Personal- und Rechnungswesen.
Im Gutachten heißt es: "Im Bereich Planung/Bau/Betrieb
Netze ergeben sich erhebliche Synergiepotenziale, die zu Gunsten
aller Sparten des KVV-Konzerns genutzt werden können." Es
ließe sich also Personal einsparen.
Doch zu Kündigungen werde es nicht kommen, versicherte KVV-Vorstandschef
Andreas Helbig Kämmerer Dr. Jürgen Barthel (SPD) in seiner
Stellungnahme vom Mai 2004: "Der Besitzstand der Arbeitnehmer
und Arbeitsplatzsicherheit werden garantiert." Einsparungen
ergäben sich, weil frei werdende Stellen nicht wieder besetzt
würden.
KVV im Wettbewerb
Dass sich
die Stadt dennoch gegen den Zusammenschluss sträubt,
hat offenbar politische Gründe. Im KVV-Konzern würde ein
wesentlich schärferer Wind wehen. Dort orientieren sich Mitarbeiter
und Führungsebene am Wettbewerb, was
KEB und Stadtreinigern weit gehend fremd
ist.
Stadtwerke
sowie Verkehrsbetriebe auf der einen Seite und KEB sowie Stadtreiniger
auf
der anderen
Seite
- das Kasseler
Modell
der kompletten
Trennung ist nicht unbedingt gängig. Städte vergleichbarer
Größe wie Braunschweig und Freiburg haben Abwasserbetriebe
und Stadtwerke zusammengeschlossen. Immerhin haben diese Betriebe
in einer Kommune denselben Kundenstamm und ähnliche
Fachbereiche.
Beim Zusammenschluss
müssten sich die Führungskräfte
von Stadtreinigern und KEB dem KVV-Vorstand unterordnen. Es würde
ein Machtblock entstehen, der sich womöglich nicht mehr so leicht
an die Leine nehmen ließe. Bereits 2004 befürchtete Harry
Völler, dass den Stadtverordneten Kontrollmöglichkeiten
entzogen würden. Die Skepsis ist berechtigt. Zwar sitzen in
den KVV-Aufsichtsräten Kommunalpolitiker, doch in den Betriebskommissionen
von KEB und Stadtreinigern ist ihr Einfluss größer.
Größtes Risiko bleibt aber wohl, dass sich die Stadtoberen
mit den Arbeitnehmervertretern anlegen müssten, die Einschnitte
fürchten. Dies dürfte nicht nur Sozialdemokraten wie Oberbürgermeister
Bertram Hilgen zurückschrecken. Auch sein Vorgänger
Georg Lewandowski (CDU) hat sich an dieses
Thema nicht herangewagt.