Verein Freies Wagenleben
Moritzstraße 27
34127 Kassel
Fon 0561/84339
Fax 0561/84247

Datum:  19.10.1997
Bearbeitet von: Matthias Döring

Dringend!

Zur Vorlage vor der Magistratssitzung
 

An die DezernentInnen der Stadt Kassel
Stadtbaurätin Monika Wiebusch
Liegenschaftsdezernent Jürgen Barthel
Bürgermeister Ingo Groß
Sozialdezernentin Ilona Caroli
Kulturdezernent Volker Schäfer

Zur Kenntnisnahme
Präsident Hans Brinckmann, GhK
Vizepräsident Gerhard Haf, GhK
Vizepräsidentin Heide Andres-Müller, GhK
Kanzler Hans Gädeke, GhK
 

Sehr geehrte Damen und Herren;
In der vergangenen Woche haben wir Gespräche mit den DezernentInnen Frau Caroli, Herr Groß, Herr Barthel, Herr Schäfer und Frau Wiebusch geführt. Unser Anliegen war, dem Wagenplatz K18 eine städtische Fläche zur Verfügung zu stellen, um dem selbstverwalteten studentischen Wohnprojekt eine Zukunft zu gewährleisten.
Am Freitagnachmittag (17.10.) haben Herr Brinckmann, Herr Gädeke und Herr Schröder nun eine neue Variante präsentiert. In einem Gespräch mit VertreterInnen des Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA), Studierendenparlament (StuPa) und der Bunten Liste stellten sie K18 einen Verbleib auf der Fläche in Aussicht, sofern die Stadt dafür „grünes Licht" gäbe.

Der Wagenplatz K18 entstand 1989 aus einem Projekt des Fachbereichs Sozialwesen. Ziel war, als Selbsthilfe-Projekt eine andere Wohnform und eine ressourcenschonende Lebensweise auszuprobieren und zu etablieren. Die BewohnerInnen entschieden sich bewußt für diese Wohnform. Sie bemühten sich dabei, Auflagen der GhK und der Stadt nachzukommen. So wird auch heute noch die Anzahl der BewohnerInnen auf 15 beschränkt und z.B. die Hausbrand-Anlagen vom Bezirksschornsteinfeger regelmäßig kontrolliert. 1992 kündigte die GhK dem Projekt und stellte Strafantrag gegen die BewohnerInnen wegen Hausfriedensbruchs. Die GhK wollte auf dem Gelände eine Kindertagesstätte bauen. Der Bauantrag wurde jedoch abgelehnt und der Strafantrag in 2. Instanz vom OLG zurückgewiesen. Seit dieser Zeit duldete die GhK den Platz am Standort.
Seit Bestehen des Projekts ging von K18 Kulturarbeit aus, daneben übernahmen die BewohnerInnen soziale Funktionen im Stadtteil. Nach achtjährigem Bestehen ist der Wagenplatz in die Nordstadt integriert; das Projekt beweist seine Kontinuität und seinen Selbsthilfecharakter seit 1992 auch ohne Projektbetreuung durch eineN ProfessorIn. Als sich 1997 die Gerüchte um eine geplante Park-Bebauung verdichteten, nahmen die BewohnerInnen Kontakt mit der Hochschuleitung auf, um eine integrative Lösung und eine Einbeziehung in Planung zu erarbeiten. Die neue Beplanung des Geländes schien eine lange angestrebte vertragliche Bindung greifbar werden zu lassen. In den durch den AStA und das StuPa vermittelten Gesprächen stellte  K18 eine Alternativplanung und ein Vertragkonzept vor. Ebenfalls im Gespräch waren Ersatzflächen für die 15 BewohnerInnen im Falle einer Ablehnung deren Konzepte durch die GhK. Die vorgestellte integrative Lösung sieht einen Verbleib auf denjenigen Flächen vor, die als Lehr- und Forschungsflächen dem FB Landschaftsplanung vorgehalten werden sollen.
Parallel zu den Gesprächen mit AStA und StuPa formierte sich innerhalb der GhK eine Opposition aus Hochschulgremien und studentischer Selbstverwaltung gegen die neuen Bebauungspläne ohne Berücksichtigung der BewohnerInnen. Selbst die Dekanin des FB Landschaftsplanung kündigte im Juli an, daß der Fachbereich dort keine Flächen beansprucht, wenn der Wagenplatz nicht bleiben kann. Die GhK aber ging auf die Vorschläge nicht ein und kündigte dem Projekt mit zweiwöchiger Frist zum 20.10.1997.

Die am Freitagnachmittag von der GhK in dem Gespräch mit AStA, StuPa und Bunte Liste neu eingebrachten Forderungen für eine integrative Lösung in die Freiflächenplanung sehen vor:

Zu Punkt 2. ist unsererseits hinzuzufügen, daß das Aufstellen von Bauwagen nicht als Versiegelung von Flächen gilt. Doch besonders Punkt 3. können wir entkräften: Das Projekt kommt seit Jahren ohne Kanalisation aus. Die BewohnerInnen verfügen über ein regelmäßig von einer Spezialfirma geleertes Hochklo, über das auch die Abwässer der Wagen entsorgt werden. Aus unserer Sicht sind finanzielle Forderungen an die Stadt dadurch gegenstandslos.
Dazu kommt, daß ein Verbleib des Projekts auf dem Gelände auch das Abholzen der Bäume und Beseitigung der Sträucher nicht mehr erforderlich macht. K18 ist es wichtig, nicht exponiert auf einer Grünfläche, sondern eingebunden in die vorhandene Begrünung zu stehen und die Fläche damit in ihrem gewachsenen Zustand zu erhalten.
Für den Fortbestand des Projekts wird also lediglich der Zugang zu Wasser und Strom benötigt, nicht aber deren Anschlüsse an die einzelnen Wägen (die BewohnerInnen gewinnen ihren Strom über Solaranlagen). Dazu kommt der Anschluß an die städtische Müllentsorgung. Als längerfristige Perspektive will das Projekt durch die Errichtung von Kompost-Toiletten auch hinsichtlich der Fäkalien-Entsorgung unabhängig werden.

In Zusammenarbeit mit den BewohnerInnen haben wir nun ein Vertragskonzept entworfen. Es handelt sich dabei um einen Zuschnitt für die besondere Situation in Kassel (mit der GhK anstelle der Stadt als Vertragspartnerin). Wir haben für den Entwurf erfolgreich praktizierte Modelle anderer, auch hessischer Städte zugrundegelegt. Einige Punkte bedürfen (nicht zuletzt da wir keine JuristInnen sind) einer vertiefenden Verhandlung, z.B. die Frage nach der Haftung: Für das Projekt war Kulturarbeit stets ein zentrales Standbein. Dadurch und durch Einbeziehung  der AnwohnerInnen in die Nutzung ist der Platz eine halböffentliche, parkähnliche Fläche. Der Verein sieht sich außerstande, für im Zusammenhang mit Veranstaltungen oder auch nur Spaziergängen von BesucherInnen entstehende Unfälle zu haften. Bezüglich der Haftungsvereinbarungen können daher andere Modelle diskutiert werden. K18 kann beispielsweise den studentischen Projektstatus behalten und über die Versicherungen der GhK abgedeckt bleiben. Als andere Möglichkeit kann das Projekt dem AStA angeschlossen werden, wie es mit Zustimmung der GhK bereits bei dem studentischen Café Desasta oder Kindergruppe NORA realisiert wurde (dadurch fiele der GhK auch die Begründung dieser Nutzung gegenüber dem Land Hessen und dem Staatsbauamt leichter). Im Vertragsentwurf haben wir zunächst die Variante mit dem Verein als Nutzer der Fläche durchgespielt.
In dem Vertrag bleibt ebenfalls noch nicht berücksichtigt, wie die für das Restgelände geplanten Bauarbeiten durchführbar bleiben. Dazu halten wir konkrete, unmittelbare Verhandlungen mit der GhK, dem Staatsbauamt, der Bauleitung Latz und Riehl und der ausführenden Firma Spohr für unerläßlich.
Der Wagenplatz K18 versteht sich als Selbsthilfe-Projekt. Daher wollen wir anfallende Arbeiten möglichst wenig kostenintensiv in Eigenleistung erbringen. Auch dieser Aspekt kann in Vertragsverhandlungen vertieft werden.

Die Hochschulleitung hat den BewohnerInnen eine Frist bis Montag dem 20.10., 12.00 Uhr gegeben. Bis dahin soll die Stadt über die von Herrn Brinckmann, Herr Gädeke und Herr Schröder gegenüber AStA und StuPa gestellten Bedingungen beraten und der GhK ein positives Signal übermittelt haben, damit weitere Verhandlungen Perspektive haben. Um vertiefende Gespräche zu führen ist dieser Termin zu kurzfristig. Wir halten es daher für notwendig, daß unmittelbar nach einer positiven Entscheidung der Stadt ein Runder Tisch mit VertreterInnen der GhK, der Stadt und K18 eingerichtet wird, der die vertragliche Struktur und dessen Umsetzung diskutiert. Um den konkreten Vertragsverhandlungen den Zeitdruck zu nehmen könnte die Stadt versuchen, auf die GhK hinsichtlich eines Aufschubs des Baubeginns einzuwirken.
In der Anlage erhalten Sie einen Vertragsentwurf unsererseits. Kopien bereits in anderen Städten realisierter Verträge reichen wir wegen deren erheblichen Umfang nach. Wir hoffen auf eine baldige, positive Entscheidung und damit auf eine alle Seiten zufriedenstellende Lösung.
 

Mit freundlichen Grüßen