Datum: 19.10.1997
Bearbeitet von: Matthias Döring
Dringend!
Zur Vorlage vor der Magistratssitzung
An die DezernentInnen der Stadt Kassel
Stadtbaurätin Monika Wiebusch
Liegenschaftsdezernent Jürgen Barthel
Bürgermeister Ingo Groß
Sozialdezernentin Ilona Caroli
Kulturdezernent Volker Schäfer
Zur Kenntnisnahme
Präsident Hans Brinckmann, GhK
Vizepräsident Gerhard Haf, GhK
Vizepräsidentin Heide Andres-Müller, GhK
Kanzler Hans Gädeke, GhK
Sehr geehrte Damen und Herren;
In der vergangenen Woche haben wir Gespräche mit den DezernentInnen
Frau Caroli, Herr Groß, Herr Barthel, Herr Schäfer und Frau
Wiebusch geführt. Unser Anliegen war, dem Wagenplatz K18 eine städtische
Fläche zur Verfügung zu stellen, um dem selbstverwalteten studentischen
Wohnprojekt eine Zukunft zu gewährleisten.
Am Freitagnachmittag (17.10.) haben Herr Brinckmann, Herr Gädeke
und Herr Schröder nun eine neue Variante präsentiert. In einem
Gespräch mit VertreterInnen des Allgemeinen Studierendenausschuß
(AStA), Studierendenparlament (StuPa) und der Bunten Liste stellten sie
K18 einen Verbleib auf der Fläche in Aussicht, sofern die Stadt dafür
„grünes Licht" gäbe.
Der Wagenplatz K18 entstand 1989 aus einem Projekt des Fachbereichs
Sozialwesen. Ziel war, als Selbsthilfe-Projekt eine andere Wohnform und
eine ressourcenschonende Lebensweise auszuprobieren und zu etablieren.
Die BewohnerInnen entschieden sich bewußt für diese Wohnform.
Sie bemühten sich dabei, Auflagen der GhK und der Stadt nachzukommen.
So wird auch heute noch die Anzahl der BewohnerInnen auf 15 beschränkt
und z.B. die Hausbrand-Anlagen vom Bezirksschornsteinfeger regelmäßig
kontrolliert. 1992 kündigte die GhK dem Projekt und stellte Strafantrag
gegen die BewohnerInnen wegen Hausfriedensbruchs. Die GhK wollte auf dem
Gelände eine Kindertagesstätte bauen. Der Bauantrag wurde jedoch
abgelehnt und der Strafantrag in 2. Instanz vom OLG zurückgewiesen.
Seit dieser Zeit duldete die GhK den Platz am Standort.
Seit Bestehen des Projekts ging von K18 Kulturarbeit aus, daneben übernahmen
die BewohnerInnen soziale Funktionen im Stadtteil. Nach achtjährigem
Bestehen ist der Wagenplatz in die Nordstadt integriert; das Projekt beweist
seine Kontinuität und seinen Selbsthilfecharakter seit 1992 auch ohne
Projektbetreuung durch eineN ProfessorIn. Als sich 1997 die Gerüchte
um eine geplante Park-Bebauung verdichteten, nahmen die BewohnerInnen Kontakt
mit der Hochschuleitung auf, um eine integrative Lösung und eine Einbeziehung
in Planung zu erarbeiten. Die neue Beplanung des Geländes schien eine
lange angestrebte vertragliche Bindung greifbar werden zu lassen. In den
durch den AStA und das StuPa vermittelten Gesprächen stellte
K18 eine Alternativplanung und ein Vertragkonzept vor. Ebenfalls im Gespräch
waren Ersatzflächen für die 15 BewohnerInnen im Falle einer Ablehnung
deren Konzepte durch die GhK. Die vorgestellte integrative Lösung
sieht einen Verbleib auf denjenigen Flächen vor, die als Lehr- und
Forschungsflächen dem FB Landschaftsplanung vorgehalten werden sollen.
Parallel zu den Gesprächen mit AStA und StuPa formierte sich innerhalb
der GhK eine Opposition aus Hochschulgremien und studentischer Selbstverwaltung
gegen die neuen Bebauungspläne ohne Berücksichtigung der BewohnerInnen.
Selbst die Dekanin des FB Landschaftsplanung kündigte im Juli an,
daß der Fachbereich dort keine Flächen beansprucht, wenn der
Wagenplatz nicht bleiben kann. Die GhK aber ging auf die Vorschläge
nicht ein und kündigte dem Projekt mit zweiwöchiger Frist zum
20.10.1997.
Die am Freitagnachmittag von der GhK in dem Gespräch mit AStA, StuPa und Bunte Liste neu eingebrachten Forderungen für eine integrative Lösung in die Freiflächenplanung sehen vor:
In Zusammenarbeit mit den BewohnerInnen haben wir nun ein Vertragskonzept
entworfen. Es handelt sich dabei um einen Zuschnitt für die besondere
Situation in Kassel (mit der GhK anstelle der Stadt als Vertragspartnerin).
Wir haben für den Entwurf erfolgreich praktizierte Modelle anderer,
auch hessischer Städte zugrundegelegt. Einige Punkte bedürfen
(nicht zuletzt da wir keine JuristInnen sind) einer vertiefenden Verhandlung,
z.B. die Frage nach der Haftung: Für das Projekt war Kulturarbeit
stets ein zentrales Standbein. Dadurch und durch Einbeziehung der
AnwohnerInnen in die Nutzung ist der Platz eine halböffentliche, parkähnliche
Fläche. Der Verein sieht sich außerstande, für im Zusammenhang
mit Veranstaltungen oder auch nur Spaziergängen von BesucherInnen
entstehende Unfälle zu haften. Bezüglich der Haftungsvereinbarungen
können daher andere Modelle diskutiert werden. K18 kann beispielsweise
den studentischen Projektstatus behalten und über die Versicherungen
der GhK abgedeckt bleiben. Als andere Möglichkeit kann das Projekt
dem AStA angeschlossen werden, wie es mit Zustimmung der GhK bereits bei
dem studentischen Café Desasta oder Kindergruppe NORA realisiert
wurde (dadurch fiele der GhK auch die Begründung dieser Nutzung gegenüber
dem Land Hessen und dem Staatsbauamt leichter). Im Vertragsentwurf haben
wir zunächst die Variante mit dem Verein als Nutzer der Fläche
durchgespielt.
In dem Vertrag bleibt ebenfalls noch nicht berücksichtigt, wie
die für das Restgelände geplanten Bauarbeiten durchführbar
bleiben. Dazu halten wir konkrete, unmittelbare Verhandlungen mit der GhK,
dem Staatsbauamt, der Bauleitung Latz und Riehl und der ausführenden
Firma Spohr für unerläßlich.
Der Wagenplatz K18 versteht sich als Selbsthilfe-Projekt. Daher wollen
wir anfallende Arbeiten möglichst wenig kostenintensiv in Eigenleistung
erbringen. Auch dieser Aspekt kann in Vertragsverhandlungen vertieft werden.
Die Hochschulleitung hat den BewohnerInnen eine Frist bis Montag dem
20.10., 12.00 Uhr gegeben. Bis dahin soll die Stadt über die von Herrn
Brinckmann, Herr Gädeke und Herr Schröder gegenüber AStA
und StuPa gestellten Bedingungen beraten und der GhK ein positives Signal
übermittelt haben, damit weitere Verhandlungen Perspektive haben.
Um vertiefende Gespräche zu führen ist dieser Termin zu kurzfristig.
Wir halten es daher für notwendig, daß unmittelbar nach einer
positiven Entscheidung der Stadt ein Runder Tisch mit VertreterInnen der
GhK, der Stadt und K18 eingerichtet wird, der die vertragliche Struktur
und dessen Umsetzung diskutiert. Um den konkreten Vertragsverhandlungen
den Zeitdruck zu nehmen könnte die Stadt versuchen, auf die GhK hinsichtlich
eines Aufschubs des Baubeginns einzuwirken.
In der Anlage erhalten Sie einen Vertragsentwurf unsererseits. Kopien
bereits in anderen Städten realisierter Verträge reichen wir
wegen deren erheblichen Umfang nach. Wir hoffen auf eine baldige, positive
Entscheidung und damit auf eine alle Seiten zufriedenstellende Lösung.
Mit freundlichen Grüßen