Wagenplatz K18
Moritzstraße 27

Postadresse:
AStA der GhK
Nora-Platiel-Straße 2
34109 Kassel
Fax 84247

Offener Brief             23.11.1997

An
Präsident Hans Brinckmann, GhK
Kanzler Hans Gädeke, GhK
Bauverwaltung; Dietmar Schröder/ Klaus Sausmikat; GhK
AStA/ StuPa der GhK

Oberbürgermeister Georg Lewandowski
Stadtbaurätin Monika Wiebusch
Sozialdezernentin Ilona Caroli
Kulturdezernent Volker Schäfer
Ortsbeirat Nord, Herr Zimmer

Zur Kenntnisnahme:
Alle Fachbereiche der GhK
Christine Mussel, GhK
Evangelische Studierendengemeinde
Petitionsausschuß des Hessischen Landtags
Polizeipräsidium Kassel, Pressestelle
HNA
Hessischer Rundfunk
Frankfurter Rundschau
Freies Radio Kassel
 
 
 

Wir, das sind die BewohnerInnen des Wagenplatz K18, wenden uns an die GhK, die Stadt, und an die Öffentlichkeit, um die besondere Situation des Konflikts zu verdeutlichen und eine Lösung herbeizuführen.

Wie die aktuelle Situation entstand
Das Wohnprojekt K18 entstand 1989 aus einem Selbsthilfeprojekt des Fachbereichs Sozialwesen an der GhK. Im Herbst 1996 begann die GhK, das Gelände zu beplanen. Die BewohnerInnen reichten mehrere Konzeptvorschläge, Alternativplanungen und Verhandlungsangebote ein, doch die Hochschule stellte sich stur. Am 6.10.1997 forderte sie die BewohnerInnen auf, das Gelände bis zum 20.10. zu verlassen. Am 21.10. begannen die Bauarbeiten rund um den Wagenplatz. Da die GhK seit einem Jahr nicht auf die Diskussion um den Erhalt des Projektes einging, blieben die BewohnerInnen und richteten sich auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ein. Den Vorschlag des Wagenplatzes, sich mit der Baustelle zu arrangieren und ggf. Wagen zu verschieben, beantwortete die GhK mit dem Einzäunen der BewohnerInnen auf der ohnehin schon eingezäunten Baustelle.

Die GhK auf dem Rechtsweg
Der von der GhK gestellte Antrag einer einstweiligen Verfügung ist in 2. Instanz abgelehnt worden. Damit hat auch das OLG Frankfurt den kompromißlosen Baubeginn der GhK quittiert: Die Hochschule konnte mit ihrem Argument der „Dringlichkeit" nicht überzeugen, wußte sie doch schon seit Beginn der Planung um den Konflikt, der sich bei Baubeginn ergeben würde.
Der Hochschule bleibt als Rechtsweg nun das ordentliche, zivilrechtliche Hauptverfahren, auf das auch das Landgericht Kassel in seinem Urteil verwies und das die GhK mit der einstweiligen verfügung zu umgehen versuchte.

Die GhK auf Konfrontationskurs
Nun liebäugelt die GhK-Verwaltung, den Rechtsweg ganz zu verlassen: In der HNA vom 18.11. kündigt ein Sprecher an, die Möglichkeit einer Räumung ohne Räumungstitel zu prüfen. Nicht nur daß die GhK damit alle Vermittlungs- und Verhandlungsangebote ausschlägt. Jetzt scheinen die VertreterInnen der GhK nicht mehr gewillt, die Position der BewohnerInnen des Projekts überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Der Konfrontationskurs der GhK wird auch die Spaltung zwischen Hochschulverwaltung und Gremien studentischer Selbstverwaltung vertiefen.
Nachdem die GhK die Mediation, Kommunikation und Auseinandersetzung durch das Prinzip Konfrontation ersetzt, stellt sich uns die Frage: Was wird der nächste Schritt sein?

Parallelen zu anderen Projekten
In diesem Zusammenhang möchten wir an die Geschichte des soziokulturellen Zentrums Messinghof erinnern: Der Besitzer des Gebäudes beantragte eine einstweilige Verfügung auf Räumung gegen die BewohnerInnen, die ihrerseits über alte Mietverträge verfügten. Der Antrag wurde in 2. Instanz abgewiesen, woraufhin der Messinghof kurzerhand von zwei Hundertschaften Polizei per HSOG geräumt wurde. Der Einsatz der Polizei war rechtlich bedenklich. Nach der Räumung ist der Stadtteil um eine selbstorganisierte Einrichtung ärmer geworden, viele Gruppen und Initiativen haben dies mittlerweile bedauert. Auch innerhalb städtischer Gremien, die sich zunächst aus dem „Konflikt privater Natur" herausgehalten haben, mehren sich kritische Stimmen.

Das Projekt Wagenplatz K18
Der Konflikt „Wagenplatz oder Nordstadtpark" ist nicht entweder - oder zu diskutieren. Wie die von den BewohnerInnen eingereichten Alternativplanungen und -konzepte zeigen, sind die öffentlich zugänglichen Sport- und Erholungsflächen auch mit dem Wagenplatz zu realisieren. Auf dem von dem Wagenplatz genutzten Gelände (etwa 1/3 der Gesamtfläche) sollen Kompost-, Lehr- und Forschungsflächen entstehen. Sind also Bauwagenplätze als alternative Wohnform wertloser als Komposthaufen? Warum wird ein seit 8 Jahren gewachsenes soziokulturelles Projekt gegen Forschungs- und Kompostflächen ausgespielt, die entweder nicht einmal nachgefragt werden oder aber an anderer Stelle zu errichten wären?
Die Bauwagenplätze in Kassel haben durchaus eine soziale und kulturelle Funktion im Stadtteil; nicht nur, daß sie die toten Winkel beleben und dadurch auch öffentlich machen. Zahlreiche Gruppen, Initiativen, Vereine und Hochschuleinrichtungen haben ihre Unterstützung für den Fortbestand ausgedrückt und in Briefen an die GhK sowie die HNA dokumentiert. Zudem haben die BewohnerInnen 1.200 Unterschriften für den Erhalt der Plätze auf GhK-Gelände gesammelt.
Die BewohnerInnen experimentieren mit einer anderen Wohnform, organisieren kulturelle Veranstaltungen und haben vielfältige Bezüge zu anderen Initiativen in der Nordstadt (nicht zu vergessen auch in der GhK).

Zusammenhänge und Widersprüche
Der Wagenplatz K18 ist in die Nordstadt und den Hochschulalltag integriert. Er tangiert damit auch die Problematik, die das „Nordstadtkonzept" von Sozialdezernentin Caroli behandelt: Die soziale und kulturelle Infrastruktur in der Nordstadt. Wie paßt es zusammen daß die Stadt einerseits versucht, soziale Initiativen und Einrichtungen für die BewohnerInnen in der Nordstadt zu verankern und voranzubringen, die GhK aber andererseits bestehende Projekte auflöst? Dabei wäre gerade die GhK in der Lage, ein solches Projekt zu fördern; sie könnte den Wagenplatz in das Konzept einer öffentlichen Grünfläche integrieren und über Forschung und Lehre legitimieren. Der Wagenplatz könnte so auf dem Gelände fortbestehen, welches ohnehin in Forschungs- und Lehrflächen für den Fachbereich Landschaftsplanung gerodet werden soll.
In diesem Zusammenhang sind sowohl die BewohnerInnen des Wagenplatzes als auch der Verein Freies Wagenleben an die Stadt herangetreten. Ziel war, die Stadt als Aufsichtsbehörde, aber auch als Vermittlungsinstanz für den Fortbestand des Projekts zu gewinnen. Die Stadt wiederum zieht sich auf die Position zurück, der Konflikt sei eine private Auseinandersetzung zwischen BewohnerInnen und Hochschule. Sie zeigte sich ebenfalls nicht gewillt, dem Projekt ggf. städtische Flächen zur Verfügung zu stellen.

Und nun?
Die GhK verweigert die Diskussion über den Fortbestand des Projekts. Der Magistrat sieht keine Veranlassung, an einer Lösung mitzuarbeiten. Der Wagenplatz kann sich nicht in Luft auflösen. Die Polizei soll „Abhilfe" schaffen?
Wir BewohnerInnen, um die es hier eigentlich geht, lehnen diese Art der Konfliktlösung ab. Um die mittlerweile verhärteten Fronten aufzuweichen, wollen wir an dieser Stelle unsere Vorschläge zur Erarbeitung einer für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung wiedergeben.

Wir appelieren an alle Beteiligten, selbstorganisierte Projekte zu realisieren und ernstzunehmen. Statt ihnen die Daseinsberechtigung abzusprechen, sollten ihnen Türen eher geöffnet als verschlossen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Die BewohnerInnen des Wagenplatz K18